Exkursion zur Gedenkstätte des KZ-Außenlagers Leonberg am Sonntag, 19. Januar 2020
09/01/2020Im Rahmen seines Projektes „Heimat Kickers“ unternimmt das Kickers Fanprojekt am Sonntag, 19. Januar 2020, eine Exkursion zur Gedenkstätte des KZ-Außenlagers Leonberg. Die Teilnahme an der ca. 2-stündigen Exkursion, die um 14 Uhr beginnt, ist kostenfrei und offen für alle Interessierten aus der Kickers-Familie, lediglich die gemeinsame An- und Abreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln sollte von den Teilnehmenden selbst übernommen werden. Anmeldung bitte per Mail bis zum 15.01.2020 an daniel.metz[at]kickers-fanprojekt.de oder direkt bei Daniel auf dem Handy.
Die beiden langjährigen Kickers-Fans Dieter Rebstock und Holger Corsten werden uns zunächst durch die Gedenkstätte führen. In den beiden 300 m langen Röhren des ehemaligen Engelberg-Autobahntunnels wurden Häftlinge aus dem elsässischen Konzentrationslager Natzweiler-Struthof unter entsetzlichen Bedingungen zur Mitarbeit bei der Produktion von Tragflächen des Messerschmitt-Düsenjägers Me 262 gezwungen. Danach werden sie einen Vortrag präsentieren, in dem der jüdische Beitrag zum Fußball in Süddeutschland beleuchtet wird, selbstredend mit Bezug zu den Stuttgarter Kickers.
Die Exkursion ist Teil der vielfältigen Aktionen zum „16. Erinnerungstag im deutschen Fußball“, mit dem der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz gedacht wird, der sich am 27. Januar 2020 zum 75. Mal jährt. Getragen wird der Erinnerungstag durch die Initiative „!Nie wieder“, einem Netzwerk aus Fangruppen, Fanprojekten, antirassistischen Bündnissen, Amateur- und Profivereinen, der DFL und des DFB, sowie zahlreichen Institutionen aus der Zivilgesellschaft. Das Kickers Fanprojekt, Julius Hirsch Preisträger 2019 des DFB, ist Mitglied der Initiative „!Nie wieder“.
Aufruf der Initiative „!Nie wieder“ zum 16. Erinnerungstag im deutschen Fußball:
Am 27. Januar 2020 jährt sich zum 75. Mal jener Tag, an dem die Überlebenden im Konzentrationslager Auschwitz durch die Rote Armee befreit wurden. In Demut, Respekt und Mitgefühl gedenken wir aller Opfer, der Überlebenden und Ihrer Familien. Die Glaubwürdigkeit dieser solidarischen Trauer für die Opfer bemisst sich an der Maxime, dass Auschwitz „Nie wieder“ sei!
Dieser Tag erinnert die Fußballfamilie daran, dass Menschen aus ihren Reihen von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden, unter Mithilfe einer unübersehbaren Zahl williger Mitläufer. Dass dieses Menschheitsverbrechen in dieser mörderischen Perfektion gelang, daran hatte auch der Fußball seinen Anteil. Der Ausschluss und damit die Preisgabe der jüdischen und kommunistischen Vereinsmitglieder, sehr oft als jubelnde Erfolgsmeldung in den Vereinsnachrichten veröffentlicht, wird unvergessen bleiben.
Neben jüdischen Menschen, den politischen Gegnern und anderen ausgegrenzten Gruppen waren im besonderen die deutschen und europäischen Sinti und Roma in der NS-Zeit schrecklicher Verfolgung ausgesetzt. Hunderttausende fielen der Vernichtungspolitik der Nazis zum Opfer; allein im KZ Auschwitz wurden mehr als 20.000 von ihnen ermordet. Der deutsche Fußball steht gegenüber den Sinti und Roma in einer besonderen Verantwortung. Denn es war der langjährige DFB-Präsident Felix Linnemann, der vor 1945 als SS-Standartenführer und Kripochef von Hannover unmittelbar an ihrer brutalen Verfolgung beteiligt war. Seine Amtsstelle entschied darüber, welche Sinti und Roma deportiert, sterilisiert oder zur Zwangsarbeit eingeteilt wurden. Viele hundert von ihnen wurden in Linnemanns direkter Verantwortung in die Vernichtungslager verschleppt und dort ermordet.
2020 ist der Antiziganismus in Deutschland und bei unseren europäischen Nachbarn wieder auf dem Vormarsch. Repräsentative Umfragen belegen diese Entwicklung. Es ist das Gebot der Stunde, sich zusammen mit den Sinti und Roma Freunden*innen gegen dieses Übel entschieden zur Wehr zu setzen. Das gelingt durch das gemeinsame Engagement für eine starke Demokratie.
Dieses Engagement ist alternativlos. Die Fußballfamilie hat das verstanden. Immer mehr Fans und Fanprojekte, Amateur- und Profivereine, die Fußballverbände und zivilgesellschaftliche Initiativen arbeiten mit Phantasie und Mut für ein den Menschenrechten verpflichtetes Gemeinwesen und für eine offene und solidarische Gesellschaft.
Die fortschreitenden Brutalisierung der Sprache durch nationalistisch gesinnte und rechtsradikale Einzelpersonen, Gruppen und Parteien, die zu Mordaufrufen und zu Morden geführt haben, erwartet eine Antwort. Die Bedrohung unserer jüdischen und unserer Sinti und Roma Freund*innen und Mitstreiter*innen, verstehen wir als eigene Bedrohung. Mit ihnen zusammen setzen wir unsere Wehrhaftigkeit auf dem Feld des Fußballs und in der Zivilgesellschaft dagegen. Wenn Geflüchtete, die vielfach in unseren Vereinen ein Zuhause gefunden haben, bedroht und gejagt werden, sollten sie sich auf unseren Schutz verlassen können.
In diesen Auseinandersetzungen werden wir durch die kosmopolitischen Traditionen im deutschen Fußball bestärkt. Niemand verkörperte sie so eindrucksvoll wie der jüdische Fußballpionier Walther Bensemann, Initiator und Mitbegründer vieler deutscher Fußballvereine und Gründer des Sportmagazins „Kicker“. Nach den Leiden des Ersten Weltkrieges forderte er die Fußballer dazu auf, „als Sportsleute die hohe Ethik des gemeinschaftlichen Bandes zu einem Symbol des Fußball-Völkerbundes zu erheben“.
2020, im Jahr der Fußball-Europameisterschaft, knüpfen wir am „Erinnerungstag im deutschen Fußball“ an diese europäische Vision an. Walther Bensemann hat uns mit seinem sozialen Engagement, mit der Anregung und der Organisation von „Internationalen Fußballspielen um Friedenspokale“, mit seinem mutigen Anschreiben gegen den völkischen Nationalismus und gegen den Militarismus den Weg gewiesen.
„Der hohen Ethik des gemeinschaftlichen Bandes“ fühlen wir uns am 27. Januar 2020 – am „16. Erinnerungstag im deutschen Fußball“ – zutiefst verpflichtet. Diese Ethik gilt für alle Menschen weltweit. Sie ist dem Fußball seit seinen Anfängen eingeschrieben. „Nie wieder“ ist wehrhafte Einmischung! Das sind wir den Opfern, den Überlebenden von Auschwitz uns selbst und Europa schuldig.